Collage für Korridor-B-Blog
(c) Amprion

Experteninterview

Gewässervermessungen

Landschaftsbild mit Fluss im Vordergrund und Bäumen mit herbstlichem Laub im Hintergrund

Korridor B wird voraussichtlich ab Anfang der 2030er Jahre Energie von der deutschen Nordseeküste ins Ruhrgebiet transportieren. Schon jetzt bereiten wir erste Unterlagen für das Planfeststellungsverfahren vor, das am Ende über den genauen Trassenverlauf entscheidet. Damit einher gehen verschiedene Voruntersuchungen vor Ort, die in der Planungsregion sichtbar sein werden. Dazu gehören neben Kampfmittelerkundungen oder archäologischen Untersuchungen auch Gewässervermessungen. Über die Notwendigkeit und den Ablauf der Arbeiten haben wir mit Dieter Schumann vom Ingenieurbüro Freigang und Schumann gesprochen.

HERR SCHUMANN, AMPRION HAT SIE MIT DEN GEWÄSSERVERMESSUNGEN BEAUFTRAGT. WARUM SIND DIESE UNTERSUCHUNGEN ÜBERHAUPT NOTWENDIG?

Die Gewässervermessungen sind der erste Schritt in der Planung, um am Ende über das jeweils passende Bauverfahren zu Querung eines Gewässers zu entscheiden. Bevor entschieden wird, wo ein Gewässer gequert wird und welches Bauverfahren dabei zum Einsatz kommt, erarbeitet das Team der Projektierung verschiedene Vorschläge und prüft die technische Machbarkeit. Dabei fließen auch die Ergebnisse unserer Arbeit ein.

WIE KÖNNEN POTENZIELLE QUERUNGSSTELLEN ÜBERHAUPT SCHON FESTSTEHEN, BEVOR DIE BUNDESNETZAGENTUR DEN VORZUGSKORRIDOR FÜR KORRIDOR B FESTGELEGT HAT?

Obwohl noch nicht feststeht, in welchem Korridor die geplante Erdkabeltrasse verlaufen wird, führt Amprion bereits verschiedene Vorarbeiten auf eigenes Risiko durch – überall dort, wo Amprion den Leitungsverlauf aus aktueller Sicht für realistisch hält.

Wir untersuchen schon jetzt mögliche Querungsstellen, denn das Wissen um die Beschaffenheit dieser Stellen ist eine wichtige Grundlage für die weitere Planung. Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass die Bundesnetzagentur im weiteren Verlauf noch weitere Messungen anordnet.

KÖNNEN SIE NICHT EINFACH AUF BEREITS ERHOBENE GEWÄSSERDATEN ZURÜCKGREIFEN?

Das tun wir, wo immer es geht. Schifffahrtsämter erfassen in der Regel alle schiffbaren Gewässer und stellen diese Daten auf Anfrage auch zur Verfügung. Rund 80 Prozent der für Korridor B relevanten Gewässer wurden jedoch noch nie vermessen. Es handelt sich dabei um kleine Gewässer von drei bis zwölf Metern Breite, zu denen keine Daten vorliegen. Daher müssen wir die benötigten Informationen selbst einholen.

KÖNNEN SIE KURZ SKIZZIEREN, WIE DIE ARBEITEN ABLAUFEN?

Zunächst messen wir die Höhe des Erdbodens bezogen auf Normalnull. Ob darauf Wasser steht oder fließt, spielt erstmal eine untergeordnete Rolle. Das machen wir mit einem bis zu zwei Meter hohen Stab, an dessen Spitze ein GPS-Gerät angebracht ist. In seltenen Fällen schicken wir ein kleines, tragbares Drohnenboot mit Echolot auf das Wasser. So kommen wir an Stellen, die zu weit weg vom Ufer liegen.

Mann  mit langem Messstab im Graben inmitten einer Feldlandschaft
(c) Freigang und Schumann

Mithilfe der Messwerte legen wir Profile der Gewässer an. Das Ganze ähnelt der Standortermittlung bei einem Handy – nur, dass wir einzelne Stellen mit unseren Geräten sehr viel genauer in Höhe und Lage messen können. Aus Gründen der Arbeitssicherheit sind unsere Vermessungsteams in der Regel zu zweit unterwegs. So stellen wir sicher, dass gegenseitige Hilfestellungen möglich sind. Die Kolleginnen und Kollegen sind an den einzelnen Messstellen rund vier Stunden tätig.

WIE ENTSCHEIDEN SIE, WELCHE PUNKTE ZU MESSEN SIND?

Hier können wir aus unserer langjährigen Erfahrung schöpfen. Vor wenigen Jahren haben wir diese Arbeiten beispielsweise schon für das Erdkabelprojekt A-Nord erfolgreich durchgeführt

KANN ES BEI DEN ARBEITEN ZU FLURSCHÄDEN KOMMEN?

Nein, denn wir sind nur mit kleinem Gerät unterwegs. Jede Messung erfolgt ohne Eingriff in die Natur. Für den Zugang nehmen wir vorhandene Wege, wo immer es möglich ist.

WIE INFORMIEREN SIE DIE BETROFFENEN ÜBER DIE GEWÄSSERVERMESSUNGEN?

In diesem frühen Planungsstadium informiert Amprion Betroffene über ortsübliche Bekanntmachungen. Darin teilt das Unternehmen als Vorhabenträger mit, was wir machen, wie lange die Arbeiten andauern, welchem Zweck diese dienen und welche Flurstücke betroffen sind. Hier halten wir uns selbstverständlich an die Vorgaben, die die Kommunen in ihren Satzungen festhalten. Manchmal sind das Anzeigen in der Tageszeitung, genauso können die Bekanntmachungen auf der Internetseite der Kommune oder den Aushangkästen vor Rathäusern zu finden sein.

WANN BEGINNEN SIE MIT DEN ARBEITEN?

Bei den Schifffahrtsämtern haben wir bereits Ende 2022 die benötigten Daten abgefragt. Dort wo wir selbst messen müssen, beginnen wir noch in der kalten Jahreszeit. So stören wir die Vogelwelt nicht in ihrer Brutzeit. Solange die Gewässer nicht gefroren sind, können wir unsere Arbeit bei jedem Wetter erledigen.

Weiterführende Informationen

Interview von Lisa-Shirin Raja, veröffentlicht am 10. Februar 2023