Die Auswertung alter Luftbilder der Alliierten und den anschließenden Kampfmittelsondierungen zeigen: Auf einer Fläche westlich von Lamstedt liegen alte Kampfmittel. Um sie zu bergen, ist nun ein Bergungstrupp im Einsatz für Korridor B. Eine Reportage.

Landschaftsbild: Eine Feldfläche mit Gras im Vordergrund, der Blick fällt auf drei entfernte Windkraftanlagen, die sich vor blauem Himmel erheben.

Die grünen Wiesen und frisch bestellten Äcker westlich von Lamstedt vermitteln den Eindruck von ländlicher Idylle und Ruhe. Ab und zu übertönt das Surren der Azimut-Motoren, die die Windkraftanlagen in Windrichtung ausrichten, das frühlingshafte Vogelgezwitscher. Doch unter dieser friedlichen Oberfläche schlummert eine unsichtbare Gefahr: Relikte des Zweiten Weltkriegs in Form von Blindgängern, Munition und anderen Kampfmitteln.

Wo sich heute Grünland erstreckt, wurde in den vierziger Jahren ein sogenannter Scheinflughafen mit Flugzeugnachbauten aus Holz errichtet. Sie sollten feindliche Bomber ablenken und sie dazu bringen, ihre Bomben auf wertlose Ziele zu werfen, anstatt auf tatsächliche Flugplätze, Städte oder Industrieanlagen.

Das Vermächtnis davon liegt teilweise immer noch in den Böden. Hier, westlich von Lamstedt, wo Amprion den Bau der Erdkabelverbindung Korridor B plant, sind 2.600 Punkte, die als Verdachtsfälle registriert werden, markiert mit kleinen roten Fähnchen.

Die Nadel im Heuhaufen: Wie die Suche funktioniert

Die Kampfmittelsondierung ist ein komplexer Prozess: Zunächst werden historische Daten und Luftbilder analysiert, um Verdachtsbereiche einzugrenzen. Anschließend rückt eine Fachfirma, wie in diesem Fall Kampfmittelbergung GmbH (KMB) mit ihren Gerätschaften an. Jahrzehnte nach Kriegsende fordern die Hinterlassenschaften der Vergangenheit weiterhin höchste Aufmerksamkeit und akribische Arbeit von dem Team um Johannes Behrens. Systematisch sucht der Feuerwerker, ein gelernter Landschaftsgärtner und früherer Bundeswehrsoldat, den Boden gewissenhaft ab – eine Aufgabe, die Präzision, Geduld und Fachwissen erfordert. Passive Oberflächensonden, hochempfindliche Messgeräte, kommen hierbei zum Einsatz. Sie reagieren auf kleinste Veränderungen im Erdmagnetfeld, die durch metallische Gegenstände im Boden verursacht werden – und das können eben auch gefährliche Kampfmittel sein.

„Es ist wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen“, erklärt der Räumstellenleiter Johannes Behrens. „Wir bewegen uns systematisch über die Fläche und gehen jeder Anomalie nach, die unsere Geräte anzeigen.“

Die Gefahr ist real: Wenn der Fund zur Entschärfung wird

In einer geöffneten Holzkiste mit braunem Sand liegen zwei Stangen, die rund und fingerlang sind. Eine Hand mit Handschuh liegt daneben.

Trotz des beinahe täglichen Umgangs mit Kampfmittel jeglicher Arten wie z. B. Bomben, Minen, Granaten oder Munitionsschrott finden Johannes und seine Kollegen ihre Arbeit nicht gefährlicher als in vielen anderen Berufen auch.

Verdächtige Fundstellen werden sorgfältig freigelegt. Dabei kommen spezielle Werkzeuge und Techniken zum Einsatz, um jegliche Erschütterungen zu vermeiden. Erst wenn der Gegenstand identifiziert ist, kann entschieden werden, welche Maßnahmen erforderlich sind.

Im besten Fall handelt es sich um harmlosen Zivilschrott. Doch immer wieder kommt es vor, dass die Sondierer tatsächlich auf scharfe Munition oder Blindgänger stoßen.

Die Räumung dieser Kampfmittel, die im Auftrag von Amprion geschieht, dient nicht nur der Sicherheit bei den späteren Erdbauarbeiten, sondern auch der Sicherheit der Landwirte, die die Flächen beackern. Die in Lamstedt gefundenen Kampfmittel lagen nur zwischen 15 und 30 Zentimetern tief – eine Tiefe, die auch Landwirte mit ihren Pflügen erreichen.

Bei Funden nicht transportfähiger Kampfmittel wie z. B. Bomben wird der staatliche Kampfmittelbeseitigungsdienst informiert, der dann über das weitere Vorgehen (Entschärfung, Sprengung oder in Zusammenarbeit mit den Behörden Koordination einer möglichen Evakuierung) entscheidet.

Trotz des beinahe täglichen Umgangs mit Bomben, Minen, Granaten oder Kampfmittel jeglicher Art – so gefährlich wie es scheint, ist die Arbeit als Kampfmittelräumer nicht. Denn die größte Gefahr für Johannes und seine Kollegen geht nicht von den Kampfmitteln aus dem Zweiten Weltkrieg aus, sondern von der Sonne, der sie Tag ein Tag aus auf dem freien Feld ausgesetzt sind.

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Beitrag von Florian Zettel, veröffentlicht am 12. Mai 2025