Korridor B wird als Höchstspannungs-Gleichstrom-Verbindung ausgeführt, um das Wechselstromnetz zu entlasten. Dafür muss am Startpunkt der Wechsel- in Gleichstrom und am Endpunkt der Gleich- in Wechselstrom umgewandelt werden, bevor er ins weitere Übertragungs- und Verteilnetz fließen kann. Zu diesem Zweck baut Amprion in Heide/West, Wilhelmshaven, Hamm und Polsum je einen Konverter. Wie diese funktionieren, erklärt Bastian Lüttecken, der bei Korridor B Projektleiter für die Technik ist.

Technikteam von Korridor B im Gespräch

Bastian Lüttecken im Gespräch mit seinem Technik-Kollegen Peter Berenzen

WAS SIND DIE WESENTLICHEN UNTERSCHIEDE ZWISCHEN WECHSEL- UND GLEICHSTROM HINSICHTLICH DER ÜBERTRAGUNG?

Über lange Strecken können wir Strom verlustärmer mit Gleich- als mit Wechselstrom transportieren. Technisch gesehen hängt das mit der Wirk- und Blindleistung zusammen. Die Wirkleistung ist das, was wir eigentlich mit unserer elektrischen Verbindung übertragen möchten. Der physikalisch bedingte Blindleistungsbedarf hängt maßgeblich von der Übertragungsform und der Länge einer Leitung ab. Ein höherer Blindleistungsbedarf führt zu einer höheren Strombelastung der elektrischen Verbindung, was wiederum zu erhöhten Übertragungsverlusten führt. Gerade bei längeren Verbindungen fällt der Blindleistungsbedarf in der Wechselstromtechnik stark ins Gewicht. Bei einer Gleichstromverbindung ist er im direkten Vergleich hingegen vernachlässigbar.

WIRD KORRIDOR B DESHALB IN GLEICHSTROMTECHNIK GEPLANT?

Richtig, die geringeren Übertragungsverluste sind ein wichtiger Grund. Hinzu kommt die Vorgabe des Gesetzgebers, die elektrischen Verbindungen bei Korridor B als Erdkabel zu realisieren. Dies wäre in Wechselstromtechnik bei diesen großen Längen nur unter erheblichen technischen Herausforderungen umsetzbar, da der enorme Blindleistungsbedarf in regelmäßigen Abständen entlang der Strecke kompensiert werden müsste.

WARUM BENÖTIGT KORRIDOR B VIER KONVERTER?

Das Projekt braucht vier Konverter, weil es zwei Vorhaben in sich vereint: Vorhaben Nr. 48 des Bundesbedarfsplangesetzes verläuft von Heide/West in Schleswig-Holstein bis ins nordrhein-westfälische Polsum. Das andere Vorhaben mit der Nr. 49 führt vom niedersächsischen Wilhelmshaven nach Hamm in Nordrhein-Westfalen. Die vier genannten Kommunen hat der Gesetzgeber als sogenannte Netzverknüpfungspunkte für die beiden Punkt-zu-Punkt-Verbindungen festgelegt. Im Umfeld der Netzverknüpfungspunkte wird das Übertragungsnetz in Wechselstromtechnik betrieben. Daher ist an den insgesamt vier Start- und Endpunkten der beiden Gleichstromverbindungen eine Wechsel- bzw. Gleichrichtung der Ströme erforderlich.

DER STROM KANN ALSO IN BEIDE RICHTUNGEN FLIESSEN?

Mit Korridor B ist es möglich, den Leistungsfluss in beide Richtungen zu steuern. Den Strom transportieren wir immer dahin, wo er gebraucht wird. Entsteht durch viel Windeinspeisung im Norden Deutschlands ein Überangebot, lösen wir dieses auf, indem wir den Strom weiter in südlich gelegene Lastzentren leiten. Es kann aber auch vorkommen, dass im Süden beispielsweise die Sonne scheint und durch Photovoltaik-Anlagen viel Leistung ins Netz eingespeist wird. Das ermöglicht uns, eine mögliche Windflaute in Norddeutschland zu kompensieren.

KORRIDOR B ÜBERTRÄGT DIE ENERGIE ALS GLEICHSTROM, AUS UNSEREN STECKDOSEN KOMMT WECHSELSTROM. WIE PASST DAS ZUSAMMEN?

Das ist nichts Außergewöhnliches. Jedes Mal, wenn wir unsere Computer und Handys an die Steckdose anschließen, wird der Strom umgewandelt und die Spannungshöhe angepasst. Denn genau das ist die Aufgabe des Netzteils. Es funktioniert wie ein kleiner Konverter.

WIE FUNKTIONIERT DIE STROMWANDLUNG?

Die Stromwandlung findet im Konverter statt. Dort befindet sich der Umrichter, vorrangig bestehend aus Halbleiterbauelementen mit dem sperrigen Namen „Bipolartransistor mit isolierter Gate-Elektrode“, oftmals eher bekannt unter der englischen Abkürzung IGBT. Diese Transistoren lassen sich gezielt ansteuern und wirken wie kleine Ventile, die auf Kommando öffnen oder schließen. Sie lassen also den Strom passieren oder sperren ihn. Durch eine geschickte Ansteuerung und Verschaltung der Transistoren erzeugen wir die gewünschte Charakteristik des Stroms.

WAS BEDEUTET DAS KONKRET FÜR GLEICH- UND WECHSELSTROM?

Grafik der Konverterstationen mit Wechselstrom-Schaltanlage

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Perfekter Gleichstrom hat eine Frequenz von null Hertz, im Wechselstromnetz arbeiten wir hingegen im Idealfall mit genau 50 Hertz. Wenn wir also den Wechsel- in Gleichstrom wandeln möchten, durchläuft der Strom zunächst die Transistoren. Hier enthält er allerdings noch unerwünschte Frequenzanteile oberhalb der Nullfrequenz. Aus diesem Grund wird der Strom im Nachgang noch geglättet. Diese Aufgabe übernehmen Drosselspulen, durch die der Strom fließend geleitet wird. Sie stellen für niederfrequente Signale einen sehr geringen Widerstand dar, hochfrequente Signale fallen an ihnen ab. Der nun geglättete Gleichstrom fließt durch die Erdkabel zum Konverter in der Gegenstation. Hier durchläuft er wieder die gleichen Bauteile wie im ersten Konverter, nur in umgekehrter Reihenfolge.

SO VIEL ZUR FUNKTIONSWEISE – WIE ABER IST EINE KONVERTERSTATION AUFGEBAUT?

Die beiden Wechsel- und Gleichstrom-Anschlüsse gehören zu den insgesamt vier Funktionsblöcken einer Konverterstation. Dazwischen sind die bereits erwähnten Umrichter – das Herzstück des Konverters – und Transformatoren geschaltet. Zur Überwachung und Steuerung ist eine Steuerungstechnik installiert.

Wechselstrom-Anschluss

Der Wechselstrom-Anschluss ist notwendig, um den Konverter an das 380-kV-Übertragungsnetz anzuschließen.

Transformatoren

Ein Transformator passt die Spannungshöhe an, da der Konverter auf der Wechselstromseite mit einer niedrigeren Spannung arbeitet als das Übertragungsnetz.

Umrichter

Der Umrichter ist das Kernelement der Konverterstation, denn hier findet die Umwandlung von Wechsel- in Gleichstrom und umgekehrt statt. Dafür läuft der Strom durch mehrere Transistoren, Dioden, Kondensatoren und Spulen. Da diese Bauteile empfindlich sind, bringen wir sie in einer Halle unter. Für die Höhe des Gebäudes sind die Luftabstände maßgeblich, die bei Hochspannung einzuhalten sind.

Darüber hinaus gibt es eine Kühlanlage. Geschlossene Kühlwasserkreisläufe kühlen die Leistungselektronik. Über Luftkühler leiten wir die Wärme nach außen ab.

Gleichstrom-Anschluss

Hier ist der Umrichter mit den Gleichstrom-Leitungen verbunden. Über Kabelendverschlüsse werden hier die Erdkabel angeschlossen.

DAS HÖRT SICH NACH EINER SEHR KOMPLEXEN ANLAGE AN. WIE VIEL FLÄCHE NIMMT DIESE IN ANSPRUCH?

Das ist abhängig vom Standort, aber grundsätzlich gehen wir von zehn bis 15 Hektar aus, die wir inklusive Baustelleneinrichtungsflächen benötigen. Zum Vergleich: Ein Fußballfeld ist weniger als ein Hektar groß.

DIE KONVERTER WERDEN NICHT IN EINEM GEMEINSAMEN PLANFESTSTELLUNGSVERFAHREN MIT DEM ERDKABEL GENEHMIGT, SONDERN DURCHLAUFEN EIN GESONDERTES GENEHMIGUNGSVERFAHREN. WARUM IST DAS SO?

Unser Plan ist es, an den Netzverknüpfungspunkten das Verfahren nach der Bundesimmissionsschutz-Verordnung zu durchlaufen, es also vom Planfeststellungsverfahren abzukoppeln. So können wir lokale Behörden und Belange besser einbeziehen und vor Ort mehr Akzeptanz für unser Vorhaben erzielen.

Bastian Lüttecken beschäftigt sich mit elektrotechnischen und interdisziplinären Aufgaben und Fragestellungen. Er übernimmt eine Schnittstellenfunktion zwischen dem Team von Korridor B und den (elektro-)technischen Fachbereichen im Unternehmen.

Weiterführende Informationen

Interview von Lisa-Shirin Raja und Hanna Grünheid, veröffentlicht am 12. Juni 2023